Revisionsfrist wegen Briefträger verpasst – was nun ?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil vom 19. Oktober 2022 (X R 13/21) entschieden, dass eine Ersatzzustellung eines Dokuments durch Einlegen in den Briefkasten grundsätzlich unwirksam ist, wenn der Zusteller nicht zuvor versucht hat, die Postsendung mit dem Schriftstück persönlich zu übergeben. Dies gelte auch während der Covid-19-Pandemie.
Für förmliche Zustellungen, wie zum Beispiel die von Gerichtsentscheidungen oder besonders wichtigen Verwaltungsakten, hat der Gesetzgeber in den § 166 ZPO ein klares Regelwerk aufgestellt. Werden diese Regeln bei der Zustellung nicht beachtet, ist die Zustellung unwirksam.
Abgestellt ist der Mangel bei einem Regelverstoß erst dann, wenn der Empfänger das Schriftstück tatsächlich in die Hand bekommt.
Versäumte Frist durch Einwurf in Briefkasten?
In dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall hatte ein Zusteller der Deutschen Post AG die Sendung mit einem Gerichtsurteil an einem Samstag in den Briefkasten der von den Klägern bevollmächtigten Steuerberatungskanzlei eingelegt. Wäre dieser Samstag das Zustellungsdatum gewesen, wäre die von den Klägern eingelegte Revision gegen das Urteil zu spät erhoben worden.
Nach Meinung der Betroffenen hatte die Zustellung auf die Revisionsfrist jedoch keinen Einfluss. Denn während der Covid-19 Pandemie habe der Zusteller niemals in den Kanzleiräumen geklingelt, um Schriftstück zu übergeben. Er habe sie grundsätzlich in den Briefkasten eingeworfen.
Die Frist hätte folglich erst am darauffolgenden Montag begonnen mit dem Ergebnis, dass die Revision fristgerecht eingelegt worden sei.
Anweisung des Amtsleiters
Dem schloss sich der X. Senat des Bundesfinanzhofs an. Das Gericht war nach der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass es zwar keine generellen Anweisungen gab, während der Pandemie auf den Versuch einer persönlichen Übergabe zu verzichten. Allerdings habe der Amtsleiter des Zustellers eine derartige Anweisung erteilt.
Laut der Richter musste die Zustellung im vorliegenden Fall als unwirksam angesehen werden. „Denn im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, in denen der Gesetzgeber pandemiebedingte Erleichterungen in Bezug auf bestimmte Förmlichkeiten vorgesehen hat, sind zu den Zustellungsvorschriften der Zivilprozessordnung keine gesetzlichen Sonderregeln geschaffen worden“, so der BFH.
Der sich durch den Einwurf des Urteils in den Briefkasten ergebende Zustellungsmangel sei daher erst am darauffolgenden Montag geheilt worden, als eine Mitarbeiterin des Steuerberaters den Kanzleibriefkasten geleert habe. Die Kläger hätten folglich die Revisionsfrist gewahrt.
Quelle : Versicherungsjournal 16.01.2023
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