Berufsunfähigkeit – Ist ein Versicherer an das Ergebnis eines eingeholten Gutachtens gebunden ?
Ein Berufsunfähigkeitsversicherer ist bei seiner Entscheidung über die Zahlung von Leistungen nicht an das Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachtens gebunden. Das hat das Oberlandesgericht Nürnberg mit Beschluss vom 22. August 2023 entschieden und damit ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth bestätigt (8 U 344/23).
Der Kläger wollte wegen erheblicher Handgelenksbeschwerden Leistungen seines Berufsunfähigkeits- (BU-) Versicherers in Anspruch nehmen.
Ein von seinem Versicherer beauftragter Privatgutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherte wegen der Beschwerden zu mindestens 50 Prozent berufsunfähig war. Dennoch war die Assekuranz nicht dazu bereit, die Leistungsansprüche anzuerkennen.
Der Betroffene reichte daher Klage beim Landgericht Nürnberg-Fürth ein.
Bindendes Leistungsanerkenntnis?
Das Gericht wies die Klage ab. Denn dem beweispflichtigen Kläger sei nach dem Ergebnis eines vom Gericht eingeholten medizinischen Gutachtens nicht gelungen, eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nachzuweisen.
Gegen diese Entscheidung legte der Versicherte Berufung beim Nürnberger Oberlandesgericht ein. Die begründete er damit, dass der Versicherer an die Feststellungen des von ihm selbst vorgerichtlich beauftragten Privatgutachters gebunden sei.
Da die Assekuranz das pflichtwidrig unterlassen habe, sei der Fall so zu behandeln, als ob ein bindendes Leistungsanerkenntnis des Versicherers vorliege. Die Vorinstanz habe der Klage daher unabhängig von dem Ergebnis ihrer eigenen Beweiserhebung stattgeben müssen.
Nicht an Ergebnis eines eingeholten Privatgutachtens gebunden
Dieser Argumentation schloss sich das Oberlandesgericht nicht an. Es wies die Berufung als unbegründet zurück.
In Fällen, in denen ein BU-Versicherer einem Versicherten als Ergebnis seiner Leistungsprüfung mitgeteilt hat, dass er keine vertragliche Leistungspflicht sehe, sei es Sache des Betroffenen, zu versuchen, seine Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Versicherer weder gesetzlich noch vertraglich an das Ergebnis eines von ihm eingeholten Privatgutachtens gebunden sei.
Bewertung ist Sache des Versicherers
Einem BU-Versicherer könne bei einer außergerichtlichen Leistungsprüfung nicht vorgeschrieben werden, dass er ungeachtet des Inhalts des beauftragten Gutachtens dessen Ergebnis insbesondere dann vorbehaltlos zu akzeptieren habe, wenn der Gutachter den Eintritt des Versicherungsfalls „Berufsunfähigkeit“ zugunsten des Versicherten attestiere.
Der Versicherer sei vielmehr frei in seiner abschließenden Bewertung, ob er das eingeholte fachmedizinische Gutachten inhaltlich für überzeugend halte oder nicht.
„Denn eine Art ‚Schieds- oder Stichtagsklausel‘, wonach sich die Vertragsparteien ohne weiteren Beurteilungs- oder Nachprüfungsspielraum dem Ergebnis eines von Versichererseite eingeholten Gutachtens zu unterwerfen haben, ist nicht ersichtlich“,– so das Berufungsgericht.
Quelle : Versicherungsjournal 21.05.2024
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