Sind drei Zusammenstöße bei einem Ausparken drei Unfälle ?
Ein Autofahrer hatte bei einem missglückten Fahrmanöver drei Autos beschädigt. Der Autoversicherer unterstellte mehrere Schadenereignisse und brachte die Selbstbeteiligung mehrfach in Abzug. Daraufhin schaltete der Versicherungsnehmer den Versicherungsombudsmann ein. Der schlichtete zu Gunsten des Versicherungsnehmers.
Ein Mann verursachte beim Ausparken in mehreren Zügen mehrere Schäden. Bei der Regulierung berücksichtigte der Versicherer die Selbstbeteiligung mehrmals. Seine Begründung: Die Schäden beruhen auf unterschiedlichen Willensentschlüssen, da das Auto zwischen den Schadenereignissen gestanden und sich unter der Kontrolle des Versicherungsnehmers befunden haben müsste.
Versicherungsombudsmann verlangt natürliche Betrachtungsweise
Der Unfallverursacher wandte sich daraufhin an den Versicherungsombudsmann Dr. Wilhelm Schluckebier. Er erläuterte, dass er das Fahrzeug während des Ausparkvorgangs nicht verlassen habe, sondern lediglich – wenn auch vielleicht ungeschickt – versucht habe auszuparken. Vermutlich erschrocken durch den ersten Zusammenstoß sei er in Hektik geraten.
Dem Vortrag des Beschwerdeführers nach zu urteilen, hatte er aber das Fahrzeug zwischenzeitlich nicht verlassen, sondern lediglich – wenn auch vielleicht ungeschickt – versucht auszuparken. Dabei geriet er (vermutlich erschrocken durch den ersten Zusammenstoß) in Hektik.
Der Schlichter erklärte gegenüber dem Versicherer, dass man eine natürliche Betrachtungsweise zugrunde legen müsse, wenn es um die Beantwortung der Frage „Ein oder mehrere Schadenereignisse?“ gehe.
Verweis auf zwei Urteile zum Ausparken
Er verwies auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm. Nach diesem ist ein Gesamtvorgang dann als ein einzelner Schaden anzusehen, wenn ein versichertes Ereignis zu einem weiteren versicherten Ereignis führt (Urteil vom 13. Juni 2012, I – 20 U 151/11).
Dass für die jeweiligen Fahrbewegungen (zunächst rückwärts, dann vorwärts und zuletzt wieder rückwärts) ein entsprechender Willensentschluss notwendig gewesen sei, stehe einer solchen natürlichen Betrachtung nicht entgegen.
Ferner könne nach einem Urteil des Amtsgerichts Traunstein (27. November 2013, 311 C 1104/13) ein einheitlicher Ausparkvorgang nicht willkürlich in zwei getrennte Fahrbewegungen unterteilt und damit im Ergebnis als zwei Schadensereignisse gewertet werden.
Dies gelte selbst dann, wenn es im Rahmen des Unfallhergangs zu mehreren Willensentschlüssen (Betätigen von Schaltgetriebe, Kupplung, sowie Gas- und des Bremspedal) gekommen sei. Vielmehr stelle das beabsichtigte Ausparken einen einheitlichen Vorgang dar.
Nicht repräsentative Fallsammlung
Nach mehrmaliger Bitte um Abhilfe und dem Hinweis des Ombudsmanns auf den engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang beim Ausparkvorgang rückte der Versicherer von seiner Sichtweise ab, dass es sich um mehrere Schadenereignisse gehandelt habe.
Der Fall stammt aus dem Jahresbericht 2023 des Versicherungsombudsmann e.V. (VersicherungsJournal 15.5.2024, 17.5.2024, 27.5.2024, 30.5.2024). In diesem werden neben diversen statistischen Daten auch beispielhaft über zwei Dutzend behandelte Fälle vorgestellt, die die Redaktion in loser Folge präsentiert (20.6.2024, 25.6.2024, 3.7.2024).
„Anhand der dargestellten Verfahren und Entscheidungspraxis des Ombudsmanns soll ein Einblick in die Beschwerdebearbeitung ermöglicht werden“, heißt es in dem Bericht. Die Fälle seien nicht repräsentativ für die Häufigkeit oder die Bedeutung der Themen, mit denen die Schlichtungsstelle befasst war.
Es seien solche Themen ausgewählt worden, „bei denen ein allgemeines Interesse erwartet werden kann und die jedenfalls in ihrer Gesamtheit einen Eindruck von der Arbeit des Ombudsmanns vermitteln“. Aus der Fallsammlung ließen sich keine Aussagen über das Verfahrensergebnis oder die Beendigungsarten hinsichtlich der Gesamtstatistik ablesen, wird weiter hervorgehoben.
Björn Wichert
Quelle : Versicherungsjournal 08.07.2024
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