Rechtsschutz – Wann ein Jurist seine anwaltliche Pflicht verletzt
Im Rahmen eines Schiedsverfahrens war entschieden worden, dass ein von einer Rechtsschutz-Versicherten beabsichtigter Rechtsstreit Aussicht auf Erfolg haben könnte. Der mit dem Fall betraute Rechtsanwalt der Versicherten ist hierbei nicht dazu verpflichtet, die Erfolgsaussichten vor Klageeinreichung erneut zu überprüfen. Das hat das Landgericht Stuttgart mit Beschluss vom 30. August 2021 entschieden (5 S 101/21) und damit ein Urteil der Vorinstanz bestätigt.
Geklagt hatte ein Rechtsschutzversicherer, dem im Rahmen eines Klageverfahrens Kosten in Höhe von rund 1.900 Euro entstanden waren. Vorausgegangen war die beabsichtigte Klage einer Versicherten, welche der Versicherer wegen Verjährung für aussichtslos gehalten hatte. Er weigerte sich daher, ihr eine Deckungszusage zu erteilen.
Beratungsfehler?
Weil man sich nicht einigen konnte, wurde schließlich ein Schiedsgutachten eingeholt. In dem kam der von der Rechtsanwaltskammer benannte Gutachter zu dem Ergebnis, dass durchaus Erfolgsaussichten bestehen würden.
Der Rechtsschutzversicherer erteilte daher die von der Frau gewünschte Zusage, allerdings mit der Erklärung, dass er die in Rede stehende Forderung nach wie vor für verjährt erachte.
In dem sich anschließenden Klageverfahren schloss sich schließlich das Berliner Landgericht der Auffassung des Rechtsschutz-Versicherers an: Die Forderung sei verjährt. Nach einem entsprechenden Hinweis nahm der Anwalt der Versicherten die Klage daher zurück.
Der Rechtsschutzversicherer war der Meinung, dass es der Jurist offenkundig versäumt habe, die Erfolgsaussichten der Klage zu prüfen. Denn wäre er dem nachgekommen, so hätte er sie mit Gewissheit nicht eingereicht. Der Rechtsanwalt habe seine Mandantin falsch beraten. Er sei daher dazu verpflichtet, im Rahmen eines Regresses für die Verfahrenskosten aufzukommen.
Unbegründeter Vorwurf
Dieser Auffassung schlossen sich jedoch weder das in erster Instanz mit der Regressforderung des Versicherers befasste Amtsgericht Leonberg noch das von dem Versicherer in Berufung angerufene Stuttgarter Landgericht an. Die Richter hielten die Klage für unbegründet.
Ihrer Meinung nach ist dem Anwalt der Versicherten weder ein Beratungsverschulden noch eine Pflichtverletzung vorzuwerfen.
Er sei nämlich nach dem Vorliegen des Schiedsgutachtens und der anschließenden Deckungszusage des Rechtsschutz-Versicherers nicht dazu verpflichtet gewesen, die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens neu zu bewerten und seiner Mandantin ausdrücklich von dessen Durchführung abzuraten.
Denn seine bereits zu Anfang des Verfahrens vertretene Auffassung einer bestehenden Erfolgsaussicht für eine Klage sei von dem unabhängigen Schiedsgutachter als fachkundigem Dritten bestätigt worden. Dem Juristen könne daher kein Verschuldensvorwurf gemacht werden.
Keine Regressmöglichkeit
Zu berücksichtigen sei auch, dass der Rechtsanwalt als ausschließlicher Interessenvertreter seiner Mandantin deren Wunsch nach Rechtsverfolgung zu berücksichtigen und soweit möglich umzusetzen hatte.
„Im Ergebnis schuldete der Beklagte eine Aufklärung allein dahingehend, dass der Erfolg des Klageverfahrens angesichts der Verjährungsproblematik ungewiss ist, ein seine Rechtsauffassung zum Nichteintritt der Verjährung stützendes Schiedsgutachten eines unabhängigen fachkundigen Dritten vorliegt und für die Mandantin aufgrund der Deckungszusage der Klägerin kein Kostenrisiko besteht“, so das Gericht.
Dass die Frau nach der schließlich erteilten Deckungszusage des Versicherers einen Klageauftrag erteilt habe, könne ihrem Anwalt nicht zur Last gelegt werden. Ein Regress des Rechtsschutz-Versicherers wegen einer angeblichen anwaltlichen Pflichtverletzung scheide daher aus.
Quelle : VersicherungsJournal 14.10.21
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