Ist der Verkauf eines Totalschadens nach Polen Teil der Schadenminderungs-Pflicht ?
Geschädigte, deren Fahrzeug bei einem Unfall einen Totalschaden erlitt, sind nicht dazu verpflichtet, sich auf Verlangen des gegnerischen Versicherers auf ein Restwertangebot aus dem Ausland einzulassen. Das hat das Amtsgericht Bergisch Gladbach mit Urteil vom 21. April 2023 (61 C 183/22) entschieden.
Das Auto eines Mannes hatte bei einem durch einen Dritten verursachten Verkehrsunfall einen Totalschaden erlitten. Ein von ihm beauftragter Sachverständiger ermittelte den regional erzielbaren Restwert des Fahrzeugs: 5.800 Euro.
Zählt der Verkauf nach Polen zur Pflicht-Einhaltung?
Diesen Betrag hielt der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers für zu gering. Denn nach seinen Recherchen war ein in Polen ansässiger Händler dazu bereit, für das Wrack 8.870 Euro zu zahlen. Bei der Regulierung des Schadens kürzte er daher den Wiederbeschaffungs-Aufwand um 3.070 Euro.
Mit dem Argument, dass er nicht dazu verpflichtet sei, sich auf ein polnisches Restwertangebot einzulassen, klagte der Geschädigte den Differenzbetrag ein. In seiner Klageerwiderung trug der Versicherer vor, dass der Mann das Angebot mühelos hätte annehmen können. Ihm seien umfangreiche Angaben zu dem Aufkäufer gemacht worden.
Dieser sei auch dazu bereit gewesen, dass Auto kostenlos abzuholen und es bar zu bezahlen. Im Rahmen seiner Schadenminderungs-Pflicht hätte sich der Geschädigte daher auf das Angebot einlassen müssen.
Diese Argumentation überzeugte das Amtsgericht Bergisch Gladbach nicht. Es gab der Klage statt.
Entscheidend ist der regionale Markt
Nach dessen Ansicht ist ein Geschädigter beim Verkauf eines Totalschaden-Fahrzeugs in der Regel nur dazu verpflichtet, sich auf Restwertangebote des regionalen Markts einzulassen. Diese habe der mit der Besichtigung des Fahrzeugs beauftragte Gutachter fehlerfrei ermittelt.
Eine Verpflichtung, darüber hinaus eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten zu berücksichtigen, bestehe nicht. Das betreffe auch den Sondermarkt für Restwertaufkäufe im Internet.
Ein Grund sei, dass es einem Geschädigten möglich sein müsse, sein Fahrzeug einer ihm vertrauten Vertragswerkstatt oder einem angesehenen Gebrauchtwagenhändler beim Kauf eines Ersatzfahrzeugs in Zahlung geben zu können. Diese Bedingung würde aber nur auf dem regionalen Markt erfüllt.
Versicherer muss sich mit Verweisen zurückhalten
Einem Geschädigten dürfe bei der Schadenregulierung auch nicht eine von dem Versicherer des Unfallgegners gewünschte Vertragsmodalität aufgezwungen werden. Der Verweis auf eine Verwertungsmöglichkeit in Polen sei im vorliegenden Fall daher nicht zulässig.
Im Übrigen sähe sich der Kläger für den Fall von Unstimmigkeiten bei der Veräußerung des Fahrzeugs dem Risiko ausgesetzt, Ansprüche gegebenenfalls vor einem polnischen Gericht einklagen zu müssen. Auch das könne ihm nicht zugemutet werden.
Quelle : Versicherungsjournal 05.10.2023
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