Bis zu 80 Prozent – Studie warnt vor Kostenexplosion in der GKV
Nach Angaben des Gesundheitsministeriums haben die gesetzlichen Krankenversicherer im ersten Halbjahr ein Defizit von 1,9 Milliarden Euro verzeichnet. Die Boston Consulting Group prognostiziert in einer Studie weitere Fehlbeträge, wenn sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt. Bis 2040 drohen Kostensteigerungen von bis zu 80 Prozent und ein Ausgabenvolumen von 700 Milliarden Euro.
Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat am Freitag bekannt gegeben, dass die 103 gesetzlichen Krankenversicherer im ersten Halbjahr 2021 ein Defizit von 1,9 Milliarden Euro verbucht haben. Die Ausgaben für Leistungen und Verwaltungskosten wuchsen bei nahezu konstanten Versichertenzahlen um 6,4 Prozent.
Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte, dass die Pandemie auch in diesem Zeitraum die Finanzentwicklung geprägt habe. „Trotzdem ist es uns gelungen, für 2021 die Zusatzbeitragssätze der Krankenkassen stabil und damit die Sozialabgaben unter 40 Prozent zu halten. Das ist auch das gesetzlich festgelegte Ziel für 2022“, sagte er.
Sobald im Oktober eine aktuelle Finanzprognose für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) vorliege, prüfe man, ob der von der Koalition beschlossene ergänzende Bundeszuschuss von sieben Milliarden Euro angepasst werden müsse.
Ausgaben in Höhe von 700 Milliarden Euro
Die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group GmbH (BCG) blickt in ihrer Studie „Die 300-Milliarden-Euro-Frage bis 2040 – Ansätze für ein nachhaltiges deutsches Gesundheitswesen“ weiter voraus. Darin hat sie festgestellt, dass die Ausgaben in der GKV bis 2040 um bis zu 80 Prozent steigen werden, wenn sich die Entwicklung der letzten Jahre fortsetzt.
Es ist nach Angaben der Analysten mit Ausgaben in Höhe von 700 Milliarden Euro zu rechnen. Unter Einsatz derselben Kostendämpfungs-Maßnahmen wie in den vergangenen 20 Jahren ließe sich die Ausgabenentwicklung auf rund 600 Milliarden Euro bremsen.
Beitragssatz zwischen 20 und 22 Prozent
Je nach Prognoseszenario ergebe sich ein kostendeckender Beitragssatz von 20 bis 22 Prozent oder eine Finanzierungslücke von 75 bis 115 Milliarden Euro. Vor 20 Jahren lag der Beitragssatz im Durchschnitt bei 13,6 Prozent, aktuell sind es 15,7 Prozent. Viele Kassen wurden Anfang des Jahres teurer (VersicherungsJournal 11.1.2021).
„Ohne Steuerzuschüsse läge der Beitrag bereits bei 16,9 Prozent“, schreiben die Analysten. Deutschland zahle einen sehr hohen Preis für ein im Vergleich zu anderen Ländern nur durchschnittliches Gesundheitssystem.
Überanspruchnahme ist der größte Kostentreiber
Wichtigste Komponente für den Kostenanstieg stelle mit 30 Prozent die stetig steigende, konsumierte Menge an Gesundheitsleistungen dar, also die Anzahl der Arztbesuche oder Krankenhausaufenthalte. Nur zu rund 25 Prozent sei er mit der Alterung der Gesellschaft oder dem Bevölkerungsrückgang zu begründen. Die restlichen 45 Prozent beruhten auf Preissteigerungen, davon 25 Prozent durch Innovation und medizinischen Fortschritt.
Es sei Zeit für einen zukunftsfähigen Umbau des Gesundheitswesens, bei dem der Nutzer im Mittelpunkt stehe. Dazu müsse er „zum gesundheits-verantwortlichen und -kompetenten Akteur“ werden, der bedarfsgerecht Leistungen in Anspruch nehme und nicht überkonsumiere.
Zudem müssten die Leistungserbringer eine „kosteneffiziente, konsistent hochwertige Versorgung entlang bundesweit geltender Strukturvorgaben“ bereitstellen. Hersteller sollten Produkte mit Mehrwert entwickeln, die entlang ihres medizinischen Nutzens bepreist sind. Und für die Kostenträger fordern die Analysten „einen echten wettbewerblichen Spielraum mit dem Ziel einer Verschlankung der gesamten Administration des Gesundheitswesens“.
Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht weiter auseinander
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben im derzeitigen Gesundheitssystem werde auch in Zukunft weiter auseinander gehen. Dies sei selbst dann der Fall, wenn kostendämpfende, von der breiten Öffentlichkeit als schmerzhaft empfundene Maßnahmen ergriffen werden.
Es sei an der Zeit, von der Anpassung kleiner Stellschrauben wegzugehen. Die Bundestagswahl stelle eine große Chance dar. Eine neue Regierung könne die Weichen für die nötige Disruption des Gesundheitswesens stellen.
Quelle : VersicherungsJournal 06.09.21
Kommentare
Bis zu 80 Prozent – Studie warnt vor Kostenexplosion in der GKV — Keine Kommentare
HTML tags allowed in your comment: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>