Kfz-Versicherer soll für vorfahrtsmissachtende Radlerin zahlen
2.3.2021 – Eine 15-Jährige hatte mit ihrem Fahrrad eine Straße überquert und dabei ein Vorfahrtsschild ignoriert. Für einen dabei erlittenen Unfallschaden ist sie je nach den Umständen des Einzelfalls allein verantwortlich. Das hat das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 25. November 2020 entschieden (10 U 2847/20).
Die seinerzeit 15-jährige Klägerin fuhr im Mai 2018 mit ihrem Fahrrad auf einem entlang einer Hauptstraße befindlichen Radweg. Den wollte sie in Höhe einer Einmündung nach links verlassen und die Straße überqueren. Dabei missachtete sie ein „Vorfahrt-achten“-Zeichen und kollidierte mit einem von hinten auf der Vorfahrtsstraße kommenden Personenkraftwagen.
Die Radlerin hielt den Fahrer des Autos trotz ihrer Vorfahrtsverletzung allein für den Unfall verantwortlich. Denn wegen einer Hecke sei die Sicht auf den Radweg nur einschränkt möglich gewesen. Der Pkw-Lenker sei daher dazu verpflichtet gewesen, in Höhe der Einmündung besonders vorsichtig zu fahren. Denn er habe dort mit querenden Fahrradfahrern rechnen müssen.
Der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer des Autofahrers weigerte sich jedoch, der bei dem Unglück erheblich verletzten Jugendlichen ein Schmerzensgeld sowie Schadenersatz zu zahlen. Der Fall landete daher vor Gericht.
Dort erlitt die Radlerin sowohl vor dem in erster Instanz mit dem Fall befassten Landgericht Landshut als auch bei der Berufungsverhandlung vor dem Münchener Oberlandesgericht eine Niederlage. Die Richter zeigten sich davon überzeugt, dass die Zweiradfahrerin den Unfall allein verursacht hat.
Vorfahrtsmissachtung durch Radlerin
So sei die Kollision nicht auf einen Geschwindigkeits-Verstoß des Autolenkers zurückzuführen. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen sei er zum Zeitpunkt des Unfalls mit allenfalls 32 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. Selbst wenn seine Geschwindigkeit nur 17 Kilometer pro Stunde betragen hätte, wäre die Kollision für ihn nicht zu vermeiden gewesen.
Der Mann habe trotz der Sichtbehinderung durch die Hecke auch nicht damit rechnen müssen, dass die Jugendliche seine Vorfahrt missachtend die Straße überqueren würde. Denn im innerstädtischen Bereich gäbe es an vielen Stellen Sichtbeeinträchtigungen durch Belaubung oder Bebauungen, die eine freie Sicht auf einmündende Straßen oder Einfahrten verhindern.
„Wenn dies entsprechend der Rechtsauffassung der Klägerin dazu führen würde, dass nicht der Radfahrer, der seinerseits nur eingeschränkte Sicht auf die bevorrechtigte Straße hat, beim Einfahren in die Straße Vorfahrt gewähren müsste, sondern ungebremst und unachtsam mit nicht geringer Geschwindigkeit die Straße queren dürfte, weil jeder Verkehrsteilnehmer an jeder dieser Stellen faktisch auf Schrittgeschwindigkeit abbremsen müsste, würde das nicht nur den innerstädtischen Verkehrsfluss faktisch zum Erliegen bringen, sondern vor allem auch die Regeln der Straßenverkehrsordnung ins Gegenteil verkehren“, so das Gericht.
Kein bekannter Unfallschwerpunkt
Im Übrigen habe es sich bei der Unfallstelle um keinen bekannten Unfallschwerpunkt gehandelt, bei welchem der ortskundige Autofahrer mit Verkehrsverstößen hätte rechnen müssen. Die Radlerin sei vielmehr das deutlich sichtbare Vorfahrtszeichen missachtend und zuvor einen Bürgersteig querend mit ihrem Fahrrad ungebremst über die Vorfahrtsstraße gefahren.
Als 15-Jährige hätten ihr aber Vorfahrtsregeln bekannt sein müssen. Sie sei daher allein für die Kollision verantwortlich. Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.
Quelle : Versicherungsjournal vom 02.03.2021
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