Keine BU-Rente nach beruflicher Neuorientierung
Ein Berufsunfähigkeits-Versicherer darf einem Versicherten weitere Leistungen verweigern, wenn sich nach einer Umschulung keine wesentlichen Unterschiede bezüglich seines Einkommens, seiner Qualifikation und der sozialen Wertschätzung des neuen Berufs ergeben. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Januar 2021 hervor (20 U 29/20).
Nach einer operativen Versteifung seiner Lendenwirbelsäule konnte ein Dachdeckergeselle seinen Beruf nicht mehr ausüben. Er erhielt daher Leistungen seines Berufsunfähigkeits-Versicherers.
Knapp ein Jahr später begann er eine Umschulung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann. Die schloss er nach zwei Jahren erfolgreich ab. Seitdem arbeitet er in dem neuen Beruf.
Keine Vergleichbarkeit?
Nachdem der Versicherer im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens von der neuen Berufstätigkeit erfahren hatte, stellte er seine Zahlungen ein.
Das begründete er damit, dass die Voraussetzungen eines Leistungsanspruchs durch die Aufnahme der neuen Tätigkeit entfallen seien. Denn der neue Beruf des Versicherten würde hinsichtlich des Einkommens, der Anforderungen an die Qualifikation sowie der sozialen Wertschätzung dem bisherigen in nichts nachstehen.
Das sah der Mann anders. Vor Eintritt seiner Berufsunfähigkeit sei er Vorarbeiter und Fachkraft für Arbeitssicherheit gewesen. Er habe außerdem Überstundenzahlungen und Schlechtwetterzulagen erhalten. Als Dachdeckergeselle habe er außerdem wesentlich bessere Aufstiegschancen gehabt. Die beiden Berufe seien folglich keinesfalls miteinander vergleichbar.
Weil man sich nicht einigen konnte, zog der Betroffene vor Gericht. Ohne Erfolg. Er unterlag in erster Instanz vor den Landgericht Bonn und schleißlich auch vor den dem Kölner Oberlandesgericht.
Kein Anspruch auf BU-Rente
Nach der Überzeugung beider Instanzen hat der Kläger nach der erfolgreich abgeschlossenen Umschulung und der anschließend erfolgten Festanstellung als kaufmännischer Angestellter keinen Anspruch mehr auf die Berufsunfähigkeits-Rente.
Die kaufmännische Tätigkeit des Mannes entspreche hinsichtlich seiner Ausbildung und Erfahrung sowie in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht seiner bisherigen Lebensstellung im Sinne der Versicherungs-Bedingungen.
Der neue Beruf erforderte keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten und liege auch hinsichtlich der Vergütung und der Wertschätzung nicht spürbar unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufs als Dachdeckergeselle.
Keine Einkommensversicherung
Im Übrigen seien im Rahmen einer Berufsunfähigkeits-Versicherung gewisse Einbußen hinzunehmen. Denn eine solche Versicherung sei keine Einkommensversicherung.
„Sie knüpft weder in der Höhe ihrer Leistungen an das bei Vertragsabschluss gegebene Einkommensniveau an, noch verlangt sie als nachvertragliche Obliegenheit die Anzeige etwaiger grundlegender Änderungen der Einkommensverhältnisse zur Anpassung des Versicherungsschutzes. Deshalb müssen Veränderungen im regelmäßig zur Verfügung stehenden Einkommen, die sich in einem zumutbaren Rahmen bewegen, von dem Versicherten hingenommen werden“, so das Kölner Oberlandesgericht.
Eine Einbuße von weniger als zehn Prozent sei in der Regel zumutbar. Diese Überlegung spiele in dem entschiedenen Fall allerdings keine Rolle. Denn das erzielte Bruttoeinkommen des Betroffenen als kaufmännischer Angestellter sei höher, als sein früheres Einkommen als Dachdeckergeselle.
Die Richter sahen keine Veranlassung, eine Revision gegen ihre Entscheidung zuzulassen.
Quelle : VersicherungsJournal 28.07.21
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