Wann Gassigängern ein Schmerzensgeld vom Tierhalter zusteht
Ein Hundehalter haftet auch für Schäden, die eine Person, die sein Tier ausführt, erleidet. Das gilt auch dann, wenn es sich um eine reine Gefälligkeit handelt, so das Landgericht Coburg in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil vom 8. September 2020 (22 O 718/19).
Die Klägerin hatte seit vielen Jahren regelmäßig den Hund ihres Nachbarn aus Gefälligkeit ausgeführt. Ihr selbst bereitete das als sehr lieb und sehr ruhig geltende Tier Freude und ihr im Schichtdienst arbeitender Nachbar wurde durch die Gefälligkeit entlastet.
Das ging so lange gut, bis der Hund eines Abends in der Dämmerung eine Katze wahrnahm, welcher er nachlaufen wollte. Dadurch wurde die Frau so überrascht, dass sie die Hundeleine nicht rechtzeitig losließ. Das hatte zur Folge, dass sie mit der Schulter auf eine Bordsteinkante stürzte.
Die hierbei erlittenen Verletzungen waren so stark, dass sie seit dem Zwischenfall in ihrer Erwerbstätigkeit gemindert ist. Sie verlangte von ihrem Nachbarn daher die Zahlung von Schadenersatz sowie die eines Schmerzensgeldes.
Zu Recht, urteilte das Coburger Landgericht. Es gab der Klage der Verletzten zumindest teilweise statt.
Kein stillschweigender Haftungsverzicht
Nach Meinung der Richter haften Hundehalter in der Regel grundsätzlich für Schäden, die durch ihr Tier verursacht werden. Auch wenn der Hund des Beklagten als ruhig und gutmütig galt, habe sich durch dessen unerwartetes Losrennen auf der Jagd nach einer Katze eine aus der Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens resultierende Gefahr verwirklicht.
Durch das freiwillige und unentgeltliche Ausführen des Hundes habe die Frau auch nicht stillschweigend auf eine Haftung des Mannes verzichtet.
„Es ist zwar davon auszugehen, dass hierdurch keine der Parteien eine rechtliche Verpflichtung eingehen wollte. Die Klägerin führte den Hund spazieren, weil es ihr Freude machte und der Beklagte wurde bei seiner Schichtarbeit entlastet. Allerdings werden deshalb Ansprüche im Rahmen der Tierhalterhaftung nicht ausgeschlossen“, so das Gericht.
Mitverschulden der Klägerin
Die Betroffene müsse sich jedoch ein Mitverschulden an dem Vorfall anrechnen lassen. Das Verhalten eines Tieres sei nämlich nie völlig vorhersehbar.
Deshalb habe die Frau nach Ansicht des Landgerichts beim Spazierengehen in der Dämmerung damit rechnen müssen, dass der Hund seinem Jagdtrieb folgend einfach losrennt. Die Verletzte hätte daher entweder die Leine im sicheren Stand fester halten oder rechtzeitig loslassen müssen, um einen Sturz zu vermeiden.
Den Mitverschuldensanteil der Klägerin bewertete das Gericht mit 50 Prozent. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Quelle : Versicherungsjournal 14.05.2021
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