Alkoholfahrt …. Wann der Kaskoversicherer (nicht) zahlen muss
Auch bei einem grob fahrlässig verursachten Versicherungsfall kommt eine vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers dann in Betracht, wenn sich der Schweregrad der groben Fahrlässigkeit dem Vorsatz nähert. Das hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 19. Juli 2021 entschieden (20 U 129/21).Der Entscheidung lag eine Regressforderung eines Inhaltsversicherers einer Zahnarztpraxis zugrunde. Diese war im Juli 2018 urlaubsbedingt für drei Wochen geschlossen worden.
Der Kläger war mit seinem Personenkraftwagen innerhalb eines Ortes bei nahezu geradem Straßenverlauf von der Fahrbahn abgekommen und gegen ein Hindernis geprallt. Den dabei an seinem Fahrzeug entstandenen Schaden verlangte er von seinem Vollkaskoversicherer ersetzt zu bekommen.
Alkoholtypische Ausfallerscheinungen
Der verweigerte ihm jedoch die Gefolgschaft. Denn es stellte sich heraus, dass der Mann zum Zeitpunkt des Unfalls betrunken war. Sein Blutalkoholgehalt betrug mindestens 0,88 Promille. Nach dem Untersuchungsbefund hatte er unter anderem einen torkelnden Gang, eine verwaschene Sprache sowie weitere alkoholtypische Ausfallerscheinungen.
Der Unfall sei daher auf einen typischen alkoholbedingten Fahrfehler zurückzuführen. Daher müsse zumindest von grober Fahrlässigkeit bis hin zur Grenze des Vorsatzes ausgegangen werden. Das habe eine vollständige Leistungsfreiheit zur Folge.
Dieser Argumentation schlossen sich sowohl die Vorinstanz als auch das von dem Versicherten in Berufung angerufene Hammer Oberlandesgericht an. Beide Gerichte hielten die gegen den Vollkaskoversicherer eingereichte Klage für unbegründet.
Alltägliche Situation
Nach Überzeugung der Richter zeugt das Unfallgeschehen eindeutig von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Mannes. Der meinte zwar, er sei mit seinem Auto nur deswegen von der Fahrbahn abgekommen, weil er von seinem Bordcomputer abgelenkt war.
Diesen Einwand ließ das Gericht aber nicht gelten. Denn dabei habe es sich um eine alltägliche Situation gehandelt, mit welcher ein nüchterner Fahrer angesichts der Verhältnisse am Unfallort „spielend fertig geworden wäre“.
„Bei dem Fahrfehler des Klägers handelt es sich demnach um ein Versagen, das typischerweise durch Alkoholgenuss bedingt ist, bei dem auf eine gegebene Verkehrssituation grob falsch reagiert wird“, so das Berufungsgericht.
Keine mildernden Umstände
Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Vollkaskoversicherer seine Leistung auf null gekürzt habe. Denn der Fall bewege sich im Grenzbereich zwischen grober Fahrlässigkeit und bedingtem Vorsatz. Schließlich gehöre das Führen eines Kraftfahrzeugs in alkoholbedingtem Zustand nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den schwersten Verkehrsverstößen überhaupt.
Der Pkw-Fahrer könne sich auch nicht auf mildernde Umstände berufen. Denn er habe nach eigenen Angaben eine halbe bis dreiviertel Flasche Wein konsumiert, bevor er sich in sein Auto setzte – ausschließlich mit dem Motiv, Nachschub zu besorgen. Dabei habe er sich über die Kenntnis seiner alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit hinweggesetzt.
Das Urteil ist rechtskräftig. Nach dem Beschluss des Hammer Oberlandesgerichts hat der Versicherte seine Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zurückgenommen.
Quelle : Versicherungsjournal 15.12.2021
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