Keine Überschwemmung ohne Wasseransammlung auf der Grundstücksoberfläche
Eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg vom Frühjahr dieses Jahres zeigt, dass die Rechtsprechung zum Überschwemmungs-Begriff in der Wohngebäude- und Elementarversicherung nicht gefestigt ist. Entscheidend für das Eintreten der Versicherungspflicht ist das Vorliegen einer Überschwemmung. Beim Einordnen des Wasserereignisses zählt das Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, wie der Fachanwalt Björn Thorben M. Jöhnke in seinem Gastbeitrag ausführt.
Das Oberlandesgericht Brandenburg (OLG) hat mit Beschluss vom 28. April 2021 (11 U 206/20) festgestellt, dass das direkte Hineinfließen von Regenwasser in ein Gebäude keine bedingungsgemäße Überschwemmung darstellt, wenn es zu keiner Ansammlung von Regenwasser auf dem Grundstück kam.
Der Sachverhalt vor dem OLG Brandenburg
Der Kläger unterhielt eine Wohngebäudeversicherung mit Elementarschaden-Versicherung. Dem Vertrag liegen Allgemeine Versicherungs-Bedingungen (AVB) zugrunde, die folgende Klausel enthalten:
Ziff. 2.5.1 „Wir versichern […] Schäden durch – Überschwemmung. Dies ist der Fall, wenn Witterungsniederschläge oder ausgeuferte oberirdische Gewässer das Versicherungsgrundstück ganz oder teilweise überflutet haben oder in Ihr Gebäude geflossen sind. […] Eine Überschwemmung liegt nicht vor, wenn sich nur auf Teilen Ihres Gebäudes (zum Beispiel Balkon oder Flachdach) Regen- oder Schmelzwasser ansammelt und in Ihr Gebäude eingedrungen ist.“
Auslegung der Versicherungsklausel
Am 29. Juni 2017 kam es zu Regenfällen am Ort des versicherten Gebäudes. Infolgedessen soll ein Wasserschaden entstanden sein. Es war strittig, ob der Wassereintritt in den Keller als versichert gilt. Die Klage wurde abgewiesen.
Vor Gericht war zu bewerten, ob der Versicherungsfall gemäß der Klausel Ziff. 2.5.1 AVB eingetreten ist.
Ob ein Einlaufen von Regenwasser in den Keller eine Überflutung darstellt, ist durch die Auslegung der Klausel zu ermitteln. Versicherungs-Bedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht und verständiger Würdigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Insbesondere ist versicherungsrechtliche Spezialkenntnis nicht erforderlich.
Nicht jedes Wasserschadensereignis kann als versichert gelten
Das OLG Brandenburg bestimmte, dass ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer bei aufmerksamer Durchsicht der Klausel nicht davon ausgehen kann, dass jedes Wasserschadensereignis als versichert gelten soll. Entscheidend für das Eintreten der Versicherungspflicht ist das Vorliegen einer Überschwemmung.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch tritt eine solche dann ein, wenn Wasser in erheblichem Umfang nicht auf normalem Wege abfließt, sondern auf einer Geländefläche auftritt und dieses überflutet.
Das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers muss dahin gehen, dass eine Überflutung dann vorliegt, wenn sich Wassermengen auf der Geländeoberfläche ansammeln. Diese Ansammlung muss auf dem „Grund und Boden“ des versicherten Gebäudegrundstücks stattfinden. Fehlt es an dieser Ansammlung, so kann der Versicherungsnehmer keine Überschwemmung annehmen.
Dem steht auch nicht die Annahme entgegen, dass das Gebäude auf einem leichten Gefälle erbaut wurde. Schließlich kann sich gerade dort kein Wasser ansammeln. Die Wassereinwirkung erfolgt aufgrund eines Abfließens. Dies steht dem Verständnis einer bedingungsgemäßen Wasseransammlung, die nicht abfließen kann, geradezu entgegen.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die Rechtsprechung zum Überschwemmungs-Begriff in der Wohngebäude- und Elementarversicherung ist gefestigt. Nicht jede Wassereinwirkung auf das Gebäude soll als versichert verstanden werden können.
Im Einzelfall ist die genaue Bewertung der Sachlage erforderlich, um das Vorliegen einer versicherten Gefahr feststellen zu können. Mit der rechtlichen Bewertung sollte ein Fachanwalt für Versicherungsrecht betraut werden.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht sowie für Gewerblichen Rechtsschutz. Er ist Partner und Gründer der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte. Weitere Informationen zum Bereich der Wohngebäudeversicherung können hier eingesehen werden.
Quelle : VersicherungsJournal 26.08.21
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