Kein Krankengeld wegen Ärztepfusch ?
11.8.2021 – Eine Medizinerin hatte irrtümlich angenommen, dass eine Folgebescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit auch später ausgestellt werden kann. Dieser Fehler geht nicht zu Lasten ihrer Patientin. Das hat das Sozialgericht Stuttgart mit Urteil vom 7. Oktober 2020 entschieden (S 18 KR 1246/18).
Die arbeitsunfähige Klägerin bezog Krankengeld von ihrem gesetzlichen Krankenversicherer. Die letzte Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung ihrer Hausärztin war bis zum 19. Juni 2017 befristet.
Keine Anerkennung einer rückwirkenden Krankschreibung?
An diesem Tag suchte sie die Praxis ihrer Medizinerin auf, um sich weiter krankschreiben zu lassen. Dort schickte man sie mit dem Argument nach Hause, dass man ihr aktuell keinen Termin geben könne. Sie müsse sich bis zum 22. Juni gedulden.
Als sie an diesem Tag erneut in der Praxis erschien, stellte die Ärztin schließlich eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung aus, um die nahtlose Zahlung von Krankengeld sicherzustellen.
Diese Bescheinigung wollte die Krankenkasse der Frau jedoch nicht akzeptieren. Sie weigerte sich, ihr weiterhin Krankengeld zu zahlen. Denn das erfordere eine nahtlose Krankschreibung und zwar spätestens am Tag der Befristung der vorhergehenden Bescheinigung.
Eine rückwirkende Krankschreibung könne grundsätzlich nicht anerkannt werden. Im Übrigen sei Krankenkassen eine falsche Rechtsauskunft einer Arztpraxis nicht zuzurechnen. Doch dem schloss sich das Stuttgarter Sozialgericht nicht an. Es gab der Klage der Versicherten auf eine nahtlose Zahlung von Krankengeld statt.
Sache der Krankenkasse
Nach Ansicht der Richter ist eine Lücke in den ärztlichen Arbeitsunfähigkeits-Feststellungen für die Weitergewährung von Krankengeld unschädlich. Dies trifft zu, wenn ein Versicherter alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren.
Davon müsse in dem entschiedenen Fall ausgegangen werden. Denn die Frau habe die Arztpraxis rechtzeitig persönlich aufgesucht und die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit verlangt.
Dass sie dabei auf einen späteren Termin vertröstet wurde, basiere auf einer missverständlichen Fassung der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, welche unter bestimmten Voraussetzungen eine rückwirkende Krankschreibung erlaube.
An der Erstellung dieser Richtlinie hätten die Krankenkassen jedoch als Mitakteure im Gemeinsamen Bundesausschuss maßgeblich mitgewirkt. Daraus resultierende Fehler von Medizinern müssten sich die Kassen daher zurechnen lassen.
Unzumutbare Maßnahme
Der Klägerin sei es auch nicht zuzumuten gewesen, an dem Stichtag einen anderen Arzt aufzusuchen, um sich von diesem die fortbestehende Arbeitsunfähigkeit bescheinigen zu lassen.
Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Das Münchener Sozialgericht hat übrigens vor gut einem Jahr in einem ähnlichen Fall ebenfalls zu Gunsten eines Versicherten entschieden (VersicherungsJournal 8.7.2020).
Quelle : VersicherungsJournal 11.08.21
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