Mitschuldig trotz Vorfahrt
Ein wartepflichtiger Fahrzeugführer muss sich beim Vorbeifahren an parkenden Fahrzeugen besonders vorsichtig verhalten. Dabei hat er zu gewährleisten, dass er entgegenkommende Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet oder behindert. Das geht aus einem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 3. Februar 2023 hervor (10 O 85/20).
Der Entscheidung lag der Fall zweier Fahrzeugführer zugrunde, deren Personenkraftwagen an einer Engstelle kollidiert waren.
Der Unfall hatte sich auf einer zweispurigen innerstädtischen Straße ereignet. Die Straße war verengt. Denn auf einer der Fahrbahnen parkte eine Reihe von Fahrzeugen. Es ergab sich nur hin und wieder eine Lücke, in die man zum Ausweichen notfalls einscheren konnte. Die Gegenfahrbahn konnte hingegen ohne Einschränkungen befahren werden.
Mitverschulden
Auf der befand sich der Beklagte, als ihm der Pkw der Klägerin entgegenkam. Diese hatte kurz zuvor eine hinter einem Kleintransporter befindliche Lücke passiert, ohne darin einzuscheren, um dem Beklagten den ihm zustehenden Vorrang einzuräumen.
Sie behauptete, dass sie dessen Fahrzeug erst spät wahrnehmen konnte. Der Unfall habe dennoch verhindert werden können, wenn der Beklagte wie sie mit angemessener Geschwindigkeit und nicht mit nachgewiesenen 45 Kilometer pro Stunde die Straße befahren hätte und sein Vorfahrtsrecht nicht habe erzwingen wollen. Den Entgegenkommenden treffe daher ein Mitverschulden von einem Drittel.
Erkennbare Gefahr
Dem schloss sich das schließlich mit dem Fall befasste Duisburger Landgericht an. Es gab der Regressforderung des Vollkaskoversicherers der Wartepflichtigen im Umfang dieser Quote statt.
Nach Ansicht des Gerichts sei es zwar unstreitig, dass die Wartepflichtige das überwiegende Verschulden an dem Unfall treffe. Ein Idealfahrer hätte aus Sicht des Beklagten trotz seines Vorrangs die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs jedoch reduziert und wäre weiter rechts gefahren, um eine Kollision zu verhindern.
Das sei nach den Feststellungen eines Sachverständigen auch möglich gewesen. Im Übrigen hätten sich beide Unfallbeteiligten bei ausreichender Aufmerksamkeit rechtzeitig wahrnehmen können.
Schrittgeschwindigkeit einhalten
Die Pflicht des Beklagten, auf den Vorrang zu verzichten, galt gerade deshalb, weil es der Autofahrerin im Zeitpunkt seines Einfahrens in die Engstelle nicht mehr möglich war, in die Lücke hinter dem Kleintransporter einzufahren. Das sei nach den Feststellungen des Sachverständigen auch für den Beklagten erkennbar gewesen, so das Gericht.
Für die Fahrerin des klägerischen Fahrzeugs gelte, dass insbesondere dann, wenn an einer unübersichtlichen Engstelle Gegenverkehr nicht erkennbar ist, nur mit größter Vorsicht an einem Hindernis unter Nutzung der Gegenfahrbahn vorbeigefahren werden dürfe. Gegebenenfalls sei Schrittgeschwindigkeit einzuhalten, so dass – taucht eines entgegenkommenden Fahrzeuges auf – sofort angehalten werden könne.
Quelle : Versicherungsjournal 16.03.2023
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