Der PKV-Ombudsmann vermittelt. Wenn Rollstuhl und Pflegebett zu teuer sind.
Kann ein Versicherer im Rahmen der privaten Pflegepflichtversicherung auch ein Pflegebett mit teurer Aufrüstungsfunktion erstatten, obwohl es nicht im Hilfsmittelverzeichnis steht? Oder einen faltbaren Rollstuhl, obwohl ein einfaches Modell ausgereicht hätte? Dies waren Streitfälle, die der PKV-Ombudsmann zu schlichten versuchte.
Der Ombudsmann der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung (PKV-Ombudsmann) hat vor wenigen Tagen seinen Tätigkeitsbericht 2024 vorgelegt. Die Zahl der zulässigen Beschwerden stieg um fast ein Viertel auf 6.891 Schlichtungsanträge (VersicherungsJournal 4.2.2025).
Dabei bearbeitet der Ombudsmann auch Beschwerden zur privaten Pflegepflichtversicherung (PPV). Auf diese entfiel ein vergleichsweise kleiner Teil der Beschwerden. Insgesamt stieg die Zahl der eingegangenen Schlichtungsanträge auf 523, während im Vorjahr noch 307 Anträge gezählt wurden.
Die Leistungen der privaten Pflegepflichtversicherung (PPV) basieren auf gesetzlichen Vorgaben und sind mit denen der sozialen Pflegeversicherung (SPV) vergleichbar, wie der Ombudsmann berichtet. Sie sind für alle privaten Versicherungsunternehmen einheitlich in den Musterbedingungen der Pflegepflichtversicherung (AVB/PPV) geregelt.
Leistungen zur Pflege häufigstes Streitthema beim PKV-Ombudsmann
Laut Tätigkeitsbericht bearbeitete der PKV-Ombudsmann am häufigsten Streitfälle im Zusammenhang mit den Leistungen der Versicherer. Insgesamt gingen 244 Anträge zu diesem Thema ein.
Beispiele für solche Konflikte sind die Weigerung eines Pflegeversicherers, Zuschüsse für das Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen zu gewähren, die Ablehnung der Kostenübernahme für Verhinderungspflege oder Auseinandersetzungen über die Erstattung von Pflegehilfsmitteln.
Zu diesem Themenbereich zählen auch Streitfälle rund um die Begutachtung der Pflegebedürftigkeit. Dabei geht es häufig um die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade, wobei Antragsteller oft einen höheren Pflegegrad geltend machen, als vom medizinischen Dienst der Privaten Pflegepflichtversicherung (Medicproof GmbH) festgestellt wurde.
Entstehe der Eindruck, der medizinische Dienst habe nicht alle Aspekte berücksichtigt, oder sind neue Umstände hinzugetreten, so wirke der Ombudsmann auf eine erneute Begutachtung der Pflegebedürftigkeit hin.
Ein Unternehmen sorgte für erhöhtes Beschwerdeaufkommen
Die gestiegene Zahl der Beschwerden geht laut Ombudsbericht auch darauf zurück, dass ein Anbieter den Dienstleister für die Vertragsbearbeitung gewechselt hat. Dabei kam es zu Problemen bei der Übertragung der Versichertenbestände und Daten, was zu Verzögerungen und Fehlern geführt habe.
Der Bericht nennt den betroffenen Versicherer nicht, erwähnt jedoch, dass sich 221 Beschwerden auf den Bereich „Vertragsbearbeitung“ bezogen. Im Jahr 2023 wurde dieser Bereich in der Statistik noch gar nicht aufgeführt. Streitfälle wegen Beitragserhöhungen wurden 46 Mal gezählt, und über Vertragsdetails wurde zwölfmal gestritten.
Praxisbeispiele aus der Schlichtungstätigkeit – Streit um Pflegebett
Der Ombudsmann nennt in seinem Tätigkeitsbericht zwei Praxisbeispiele für die private Pflegepflichtversicherung. Die Praxisbeispiele veranschaulichen typische Streitfälle und sollen den Versicherten zeigen, wie die Juristen im Alltag zu ihren Entscheidungen gelangen. Dadurch wird die Entscheidungsfindung in der Schlichtung verständlicher und greifbarer.
Im ersten Beispiel verlangte der Antragsteller von dem Pflegeversicherer die Übernahme der Kosten für ein Pflegebett, welches er für die Pflege seiner bettlägerigen Ehefrau erworben hatte. Der Versicherer aber lehnte die Übernahme der Kosten ab. Er begründete dies mit dem Fehlen von Leistungsvoraussetzungen.
Das Pflegebett verfügte über eine spezielle Sitz- und Aufrichtfunktion, die es der Frau ermöglichen sollte, sich selbstständig ins Sitzen oder in eine aufrechte Position zu bringen. Das erleichterte den Pflegeaufwand und die Lebensqualität.
Nicht im Pflegehilfsmittelverzeichnis der PPV aufgeführt
Zwar haben Versicherte in der privaten Pflegepflichtversicherung laut den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (§ 4 Absatz 7 AVB/PPV) Anspruch auf Pflegehilfsmittel oder deren Leihgabe, wenn diese die Pflege erleichtern, Beschwerden lindern oder eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen. Das beinhaltet grundsätzlich auch Pflegebetten.
Voraussetzung hierfür ist aber, dass das Hilfsmittel im Pflegehilfsmittelverzeichnis der Privaten Pflegepflichtversicherung aufgeführt ist. Im vorliegenden Fall lehnte der Versicherer die Kostenübernahme ab, da das erworbene Bett nicht im Verzeichnis enthalten war.
Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass auch Pflegehilfsmittel, die nicht im Verzeichnis stehen, im Einzelfall erstattungsfähig sind, wenn sie für die Pflege benötigt werden und keine andere Versicherung oder kein anderer Leistungsträger zuständig ist. Nach den AVB muss dann die Versorgung mit dem Hilfsmittel notwendig sein.
Versicherer war nicht auf Notwendigkeit des Hilfsmittels eingegangen
Dem Ombudsmann ist bei diesem Rechtsstreit aufgefallen, dass der Versicherer in seiner Stellungnahme gar nicht darauf einging, ob die pflegebedürftige Frau auf das Bett angewiesen ist oder nicht. So war insbesondere nicht ersichtlich, ob und in welchem Umfang eine Prüfung in medizinischer Hinsicht erfolgt war.
Aus diesem Grund bat der Ombudsmann den Versicherer, seine Ausführungen entsprechend zu ergänzen und den Sachverhalt auch medizinisch einzuordnen. Auch sollte der Angeschriebene mitteilen, ob nicht doch eine gütliche Streitbeilegung möglich sei.
Da das Pflegebett mit Sitz-/Aufrichtfunktion im Rahmen der Begutachtung durch die Medicproof als pflegerisch notwendig eingestuft wurde und das erworbene Pflegebett trotz fehlender Hilfsmittelnummer die Pflege unterstützte, erklärte der Versicherer nach erneuter Prüfung seine Bereitschaft, sich an den Kosten zu beteiligen.
Streit um faltbaren Rollstuhl
Im zweiten Fallbeispiel hatte der Antragsteller einen faltbaren Elektrorollstuhl erworben. Auch hier lehnte der Versicherer eine Übernahme der Kosten vollständig ab.
Zwar bejahte der Versicherer die medizinische Notwendigkeit eines Elektrorollstuhles in Standardausführung. Für das teurere Modell wollte er aber nicht zahlen, da die Faltbarkeit ein Komfortmerkmal sei und medizinisch nicht notwendig.
Wie auch im vorherigen Beispiel bezog sich dieser Streit auf § 4 Absatz 7 der AVB/PPV und § 40 SGB 11. Demnach sind Hilfsmittel von der Erstattung ausgeschlossen, die nicht allein oder schwerpunktmäßig der Pflege, sondern vorwiegend dem Behinderungsausgleich dienen.
Vereinfacht gesagt unterscheidet sich der Behinderungsausgleich von der medizinischen Notwendigkeit darin, dass die entsprechenden Hilfsmittel zwar den Alltag erleichtern, jedoch nicht zwingend erforderlich sind, um die grundlegenden gesundheitlichen Bedürfnisse zu decken oder die körperliche Unversehrtheit zu erhalten.
Versicherer hob auf Behinderungsausgleich ab
Der Versicherer argumentierte in seiner Stellungnahme, dass der faltbare Elektrorollstuhl dem Antragsteller ermögliche, sich selbstständig fortzubewegen, ohne auf Unterstützung angewiesen zu sein. Es stehe damit vor allem der Behinderungsausgleich im Vordergrund. Eine Kostenbeteiligung aus der Pflegeversicherung lehnte der Versicherer daher ab.
Der Versicherer bejahte zugleich die medizinische Notwendigkeit der Versorgung mit einem nicht faltbaren Elektrorollstuhl aus der Krankheitskostenversicherung. Hier seien Hilfsmittel vor allem technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen.
Rollstuhl nicht umrüstbar bei Verschlechterung der Krankheit
Der Versicherer war der Ansicht, dass das Merkmal der Faltbarkeit nicht erforderlich sei, um die Behinderung auszugleichen. Zudem habe der gewählte, faltbare Elektrorollstuhl – im Gegensatz zum nicht-faltbaren Modell – den Nachteil, dass er bei einer Verschlimmerung der Beschwerden nicht umgerüstet werden könne. Dies führe sogar zu einer weniger flexiblen und schlechteren Versorgung des Versicherten.
Das Merkmal der Faltbarkeit war für den Versicherten jedoch von großer Bedeutung. Durch die Möglichkeit, den Elektrorollstuhl zusammenzuklappen, konnte er leichter im Auto transportiert, flexibler genutzt und einfacher gehandhabt werden. Besonders wichtig war, dass diese Funktion auch den Einsatz des Rollstuhls außerhalb der Wohnung ermöglichte und so eine größere Mobilität im weiteren Umkreis gewährte.
Kompromissvorschlag hat Erfolg
In diesem Streitfall bemühte sich der Ombudsmann um einen Kompromiss zwischen beiden Seiten. Er wandte sich mit der Bitte um nochmalige Prüfung eines Entgegenkommens erneut an den Versicherer.
Dabei regte der Schlichter an, dass der Versicherer zumindest jenen Anteil der Kosten übernehme, die für das einfachere Modell eines nicht faltbaren Rollstuhls angefallen wären.
Wenn sich der Gesundheitszustand des Betroffenen später verschlechtere und ein individuell anpassbarer Stuhl medizinisch notwendig werde, könne der Erstattungsbeitrag auf das neue und nicht faltbare Modell angerechnet werden.
Der Versicherer war mit dem Kompromissvorschlag einverstanden, den der Ombudsmann danach auch dem Antragsteller unterbreitete. Dieser nahm das Angebot an.
Quelle : Versicherungsjournal 13.02.2025
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