BGH Kfz-Versicherer muss trotz Ordnungswidrigkeit einen Mietwagen zahlen
Ein Fahrzeughalter gerät unverschuldet in einen Unfall – allerdings fehlt ihm ein gültiges Prüfsiegel für die Hauptuntersuchung. Nach Urteil des Bundesgerichtshofs darf in diesem Fall der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers die Kosten für einen Mietwagen nicht verweigern. Auch wenn der Halter eine Ordnungswidrigkeit beging, muss der Versicherer für die entstandenen Mehrkosten aufkommen.
Der Kläger wurde 2018 in einen Unfall mit Totalschaden verwickelt. Es stand außer Frage, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers die volle Haftung tragen musste, da dem Kläger keine Schuld an der Entstehung des Unfalls zugesprochen wurde.
Allerdings war beim Fahrzeug des Klägers der Termin zur Haupt- und Abgasuntersuchung um mehr als ein halbes Jahr überschritten.
Kfz-Versicherer verweigert die Übernahme der Mietkosten
Der Geschädigte hatte sich in der Zeit vom 5. bis 19. November 2018 ein Ersatzfahrzeug angemietet. Der Kfz-Haftpflichtversicherer jedoch wollte die entstandenen Mietkosten in Höhe von 1.024,73 Euro nicht bezahlen.
Seine Weigerung begründete der Versicherer damit, dass der Fahrzeughalter seinen Pkw ohnehin nicht hätte nutzen dürfen. Denn dieser habe nicht über eine gültige Prüfplakette verfügt.
Klage in erster Instanz
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hatte mit einem Urteil vom 14. März 2024 die Klage des Fahrzeughalters abgewiesen (2 S 6063/22). Demnach könne der Kläger aus Rechtsgründen keinen Ersatz für die Mietwagenkosten verlangen.
Zwar gehörten die Mietwagenkosten zu den sogenannten Herstellungskosten, so führten die Richter aus. Das sind stark vereinfachend jene Kosten, die ein Kfz-Versicherer einem Geschädigten laut Bürgerlichem Gesetzbuch ersetzen muss, um das Fahrzeug wieder in den Zustand vor dem Unfall zu versetzen.
Der Geschädigte dürfe dabei aber nicht aus anderen Gründen an der Nutzung des Fahrzeugs während der Ausfallzeit gehindert sein, so betonte das fränkische Gericht. Hätte der Unfall nicht stattgefunden, so hätte der Kläger sein Fahrzeug mangels gültiger Prüfplakette nicht nutzen dürfen, ohne eine Ordnungswidrigkeit zu begehen.
Kein Anspruch auf einen Ausgleich des Nutzungsausfalls?
Die Anmietung des Ersatzwagens sei folglich nicht unfallbedingt erfolgt, sondern nur anlässlich des Verkehrsunfalls. Der Kläger hätte jederzeit mit einer sofortigen Entziehung des Fahrzeugs durch die Behörden rechnen müssen und die Nutzung hätte jederzeit beendet werden können, weshalb die faktische Nutzung keinen Geldwert darstelle.
Ein Anspruch auf einen Ausgleich des Nutzungsausfalls durch den Versicherer bestehe folglich nicht.
Bundesgerichtshof korrigiert Urteil der Vorinstanz
Gegen dieses Urteil ging der Unfallgeschädigte in Berufung. Mit Erfolg: Denn der Bundesgerichtshof (BGH) hob am 3. Dezember 2024 hervor, dass mit der Begründung der Vorinstanz der Anspruch auf den Ersatz von Mietwagenkosten nicht verneint werden kann (VI ZR 117/24).
Gemäß § 249 Absatz 1 BGB hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre, so betonte der BGH.
Das schließe auch Geldbeträge für die Nutzung eines Mietwagens ein, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf, wie mehrere Senatsurteile gezeigt hätten.
Dem Geschädigten ist der Schadenersatz nicht zu verweigern
Nach diesen Grundsätzen könne ein Anspruch des Klägers nicht allein wegen des überschrittenen Vorführtermins zur Haupt- und Abgasuntersuchung verweigert werden, urteilte das oberste Zivilgericht. Der Kläger war demnach nicht bereits aus Rechtsgründen an der weiteren Nutzung des Fahrzeuges gehindert.
Auch sei ihm ein Schadenersatz nicht allein dadurch zu verweigern, dass eine Behörde die Stilllegung hätte anordnen können.
Hier habe die Vorinstanz offen gelassen, zu klären, ob der Pkw des Klägers vor dem Unfall verkehrssicher und mangelfrei gewesen sei. Gemäß den Ausführungen des Geschädigten sei zu unterstellen, dass er ohne den Unfall nicht aus Gründen der Verkehrssicherheit an der weiteren Nutzung des Fahrzeugs gehindert gewesen wäre.
Kein rechtswidriges Handeln des geschädigten Autofahrers
Stark vereinfachend hob der BGH darauf ab, dass der Halter des Fahrzeuges zwar eine Ordnungswidrigkeit begangen, aber nicht rechtswidrig gehandelt hat.
Die bloße Überschreitung des Vorführtermins für die Hauptuntersuchung führe demnach nicht automatisch zu einer rechtswidrigen Nutzung des Fahrzeugs. Solange eine Landesbehörde den Betrieb des Fahrzeugs nicht ausdrücklich untersagt oder einschränkt, sei die Nutzung des Fahrzeugs auch nach Ablauf des Vorführtermins rechtlich zulässig.
Im vorliegenden Fall hätte dem Kläger ein Bußgeld von 25 Euro gedroht, wäre er ohne gültige Plakette erwischt worden, so hob der BGH hervor. Erst wenn der Termin für eine fällige Hauptuntersuchung um mehr als acht Monate überschritten sei, drohe neben einem Bußgeld von 60 Euro auch ein Punkt im Fahreignungsregister.
Mängel am Urteil der Vorinstanz
Hier beanstandete das Bundesgericht gleich mehrere Punkte im Urteil der Vorinstanz:
- Ein drohendes Bußgeld von 25 Euro lasse nicht darauf schließen, dass der Fahrzeughalter allein deshalb auf die Nutzung des Fahrzeuges verzichtet hätte, weil er nicht mit fehlender Plakette entdeckt werden wollte.
- Dem fränkischen Gericht könne nicht in der Argumentation gefolgt werden, dass der „Sicherheitscharakter einer regelmäßigen Hauptuntersuchung“ es erfordern würde, dem Kläger die Erstattung der Mietwagenkosten zu versagen. Ein Nutzungsverbot nach Überschreiten des Vorführtermins sehe demnach weder die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (§§ 29, 69a StVZO) noch die EU-Richtlinie für Fahrzeugprüfungen (2014/45/EU) vor.
- Der Streitfall sei entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht mit dem Fall vergleichbar, in dem ein als Schaden geltend gemachter entgangener Gewinn nur unter Verletzung eines gesetzlichen Verbots hätte erzielt werden können. Zum einen gehe es nicht um den Ersatz eines entgangenen Gewinns, sondern um die Erstattung anfallender Kosten. Zum anderen sei der StVZO nicht zu entnehmen, dass jeder Gebrauch eines Fahrzeuges ohne gültige Prüfplakette verhindert werden soll.
- Der Streitfall sei auch nicht mit dem Fall vergleichbar, dass ein Fahrzeughalter seinen Pkw ohne bestehende Kfz-Haftpflichtversicherung nutze. Demnach sei das Fahren ohne gültige Prüfplakette kein Straftatbestand, solange keine Behörde den Betrieb ausdrücklich untersagt habe.
Der Bundesgerichtshof erkannte folglich einen Rechtsfehler im Urteil der Vorinstanz, hob dessen Entscheidung auf und gab die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück.
Quelle : Versicherungsjournal 28.01.2025
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