Transplantationsskandal – Krankenkasse muss trotz Betrügereien zahlen
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 18. Januar 2022 entschieden, dass gesetzliche Krankenversicherer medizinisch notwendige Leistungen auch dann vergüten müssen, wenn ihnen falsche Daten der Vergabestelle für Organtransplantationen zugrunde liegen (L 16/4 KR 506/19).
In den Jahren 2012 und 2013 wurden in mehreren deutschen Transplantations-Kliniken Manipulationen der Wartelisten aufgedeckt. So gelang es Ärzten, Organe für Patienten zu erhalten und sie zu einem Zeitpunkt zu operieren, als diese noch gar keinen Anspruch auf eine Transplantation gehabt hatten.
Streit um 157.000 Euro
Dies geschah auch in einem Fall, mit dem sich in zweiter Instanz das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zu befassen hatte. Durch bewusst falsche Angaben hatte ein Arzt des Göttinger Universitätsklinikums der Vergabestelle für Organtransplantationen (Eurotransplant) gegenüber eine höhere Dringlichkeit für zwei seiner Patienten suggeriert.
Der Mediziner hatte so dafür gesorgt, dass die Patienten auf der Warteliste für ein Transplantat weiter vorrückten. Sie wurden daher früher operiert, als unter regulären Umständen vorgesehen.
Vergütungsanspruch wegen des Betrugs rechtswidrig
Der gesetzliche Krankenversicherer der Patienten hatte zunächst die Kosten für den Eingriff übernommen. Doch als er von der Manipulation erfuhr, forderte er die rund 157.000 Euro, die er an die Klinik gezahlt hatte, zurück. Das begründete der Versicherer damit, dass der Vergütungsanspruch wegen des Betrugs des Arztes rechtswidrig zustande gekommen sei.
Dieser Argumentation schloss sich das in erster Instanz mit dem Fall befasste Hildesheimer Sozialgericht an. Es verurteilte das Göttinger Universitätsklinikum zur Rückzahlung des Betrages.
Kein Einfluss auf die Eignung der Transplantationen
Zu Unrecht, urteilte das von dem Klinikum in Berufung angerufene Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Es hielt die Forderung der Krankenkasse für unbegründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die medizinisch absolut notwendigen Organtransplantationen fachgerecht ausgeführt worden. Durch die Operationen sei das Leben der Patienten gerettet worden.
Patienten hätten ohnehin ein Angebot erhalten
Die Patienten hätten auch weit oben auf der Warteliste gestanden. Sie hätten daher kurzfristig ohnehin ein Organangebot erhalten. Die unzutreffenden Angaben des Klinikarztes gegenüber Eurotransplant hätten daher den Vergütungsanspruch der Klinik nicht entfallen lassen. Denn der Verstoß gegen die Meldepflicht habe keinen Einfluss auf die Eignung der Transplantationen gehabt.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts waren die Manipulationen des Arztes zwar moralisch falsch. „Dieses Verhalten durch Rückforderungen zu ahnden und damit einem Gerechtigkeitsempfinden Genüge zu tun, sei jedoch nicht die Aufgabe der Krankenkasse.“
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls haben die Richter eine Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
Quelle : Versicherungsjournal 02.02.2022
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