Rechtsstreit um neun Euro
Eine Autowerkstatt hatte ein Unfallfahrzeug vor dem Begutachten durch einen Sachverständigen desinfiziert. Diese Kosten muss der Kfz-Haftpflichtversicherer des Schädigers in der Regel nicht übernehmen. Das hat das Landgericht Stuttgart mit Urteil vom 23. September 2021 entschieden (5 S 42/21).
Der Kläger war mit seinem Personenkraftwagen in eine Kollision verwickelt worden. Die alleinige Haftung seines Unfallgegners stand außer Streit.
Desinfektion kein Bestandteil eines Unfallschadens?
Der gegnerische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherer weigerte sich jedoch, von der Werkstatt wegen der Covid-19-Pandemie in Rechnung gestellte Desinfektionskosten in Höhe von knapp 18 Euro zu übernehmen. Denn dabei handele es sich um eine betriebliche Arbeitsschutzmaßnahme, welche dem Schutz der Mitarbeiter diene und daher schon begrifflich nicht Bestandteil eines Unfallschadens sei.
Das wollte der Geschädigte nicht akzeptieren. Er klagte daher beim Böblinger Amtsgericht. Das gab seiner Forderung auf Übernahme der Desinfektionskosten durch den Versicherer in vollem Umfang statt.
Damit war die Sache jedoch noch nicht ausgestanden. Denn der Versicherer legte Berufung beim Stuttgarter Landgericht ein und erzielte damit einen teilweisen Erfolg.
Zum Schutz des Sachverständigen
Anders als der Versicherer stellte das Berufungsgericht zwar nicht in Abrede, dass ein Geschädigter angesichts der Covid-19-Pandemie vor Rückgabe seines Fahrzeugs eine Desinfektion der wesentlichen Kontaktflächen erwarten kann und die entsprechenden Kosten von dem Versicherer des Unfallverursachers zu übernehmen sind.
In dem entschiedenen Fall hatte die Werkstatt das Fahrzeug des Geschädigten jedoch zum Schutz des begutachtenden Sachverständigen auch bei Hereinnahme desinfiziert. Die dadurch entstandenen zusätzlichen Aufwendungen müsse der Versicherer nicht übernehmen.
Denn es erschließe sich nicht, warum sich der Gutachter nicht durch die Nutzung von Handschuhen und einer Maske ausreichend vor einer Infektion hätte schützen können. Das gelte insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Fahrzeug nur äußere Beschädigungen aufwies und sich der Sachverständige folglich nur kurzfristig zum Ablesen des Tachostandes im Fahrzeuginneren aufhalten musste.
Quelle : Versicherungsjournal 13.05.2022
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