Nach Poolgang auf Geheiß des Chefs – Badeunglück oder Arbeitsunfall ?
Wer von seinem Arbeitgeber die Anweisung bekommt, sich im Hochsommer im Pool auf dem Betriebsgelände abzukühlen, tut dies nicht aus privatem Vergnügen. Die Anweisung lässt das Baden zu einer Arbeitshandlung werden – mit entsprechendem Versicherungsschutz. Daher war die Verletzung, die sich ein Zimmerer im Pool zugezogen hatte, auch ein Arbeitsunfall. So urteilte das Sozialgericht München.
Hochsommer, 30 Grad Hitze und noch viele Stunden Arbeit vor den angeordneten Betriebsferien – das ist die Szenerie, in der sich die Mitarbeiter einer Zimmerei befanden. Damit sich seine Mitarbeiter vor den abschließenden Arbeiten etwas abkühlen können, schickte der Chef die Männer in den auf dem Betriebsgelände stehenden Pool.
Dort verletzte sich einer der Zimmerer schwer. Er erlitt eine Kopf-, Wirbelsäulen- und Rückenmarksverletzung sowie einen Herzstillstand. Durch die Kollegen und das Eintreffen von Rettungskräften konnte er gerettet werden. Wie genau es zu dem Unfall kam, blieb im Unklaren.
Nun stand die Frage im Raum: War der Unfall im Pool ein Arbeitsunfall?
Unfallversicherung: Tätigkeit des täglichen Lebens
Nach dem Besuch beim Durchgangsarzt stellte der Zimmerer eine Anerkennung als Arbeitsunfall. Diese lehnte der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Er argumentierte, dass es sich beim Pool-Aufenthalt um eine „Tätigkeit des täglichen Lebens“ und keine berufliche gehandelt habe.
Die Abkühlung im Pool habe ausschließlich dem persönlichen Zweck gedient und sei damit einzig und allein dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen, heißt es in der Argumentation der Berufsgenossenschaft. Zudem sei alles, was in der Arbeitspause unternommen werde, privat und daher vom Versicherungsschutz ausgenommen.
Abkühlung sollte Wiederherstellung der Arbeitskraft dienen
Nach einem erfolglos eingelegten Widerspruch reichte der Zimmerer Klage beim Sozialgericht München ein. Dieses urteilte zugunsten des Verunfallten.
Da die Zimmerer vor dem Betriebsurlaub noch diverse Aufgaben erledigen sollten – Maschinen-Reinigung, Autowäsche, Müllentsorgung –, wollte der Betriebschef seine Mitarbeiter erfrischen und schickte sie gegen 18 Uhr in den Pool.
Die Abkühlung sei für etwa zehn Minuten vorgesehen, danach sollten die Männer erfrischt zurück an die Arbeite. Diese würde noch gut 1,5 Stunden in Anspruch nehmen. Auch der Chef selbst ging baden.
Baden vom Arbeitgeber angeordnet worden
Daher erklärte das Sozialgericht den Vorfall in seinem Urteil (S 9 U 276/21) vom 7. März 2023, dass die Forderung des Zimmerers rechtens sei. Da das Baden als Vorbereitung auf die anstehende Arbeit gesehen werden konnte und zudem alle Mitarbeiter sowie der Chef in den Pool gingen, habe es sich nicht um eine unversicherte „Pause“ gehandelt. Schließlich sei das Baden vom Arbeitgeber angeordnet worden.
Der Verunfallte habe sich dem Baden daher nicht entziehen können; es sei „geschäftlich geprägt“, heißt es dazu seitens des Gerichts. Unabhängig davon, welcher Art die Gespräche unter den Kollegen gewesen sein und ob jemand mehr oder weniger aktiv gebadet habe: das Abkühlen war betriebsbedingt und angeordnet.
Toren Degenkolbe
Quelle : Versicherungsjournal 04.05.2023
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