Schadenteilung nach Unfall beim Linksabbiegen
Kann ein Unfallgeschehen auch durch Anhörung eines Sachverständigen nicht geklärt werden und erscheinen die Versionen beider Unfallbeteiligten nicht ausgeschlossen, ist eine Schadenteilung vorzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht Koblenz mit Beschluss vom 15. September 2021 entschieden (12 U 1039/21).
Die Klägerin wollte mit ihrem Pkw in Höhe einer Tankstelle nach links abbiegen, als sie mit dem von vorne kommenden Fahrzeug der Beklagten kollidierte. Die war im gleichen Augenblick von der Tankstelle kommend in Begriff, auf die Straße aufzufahren.
Gegenseitige Schuldzuschreibungen nach Verkehrsunfall
Die Beklagte war der Meinung, dass einzig die Klägerin den Unfall verursacht hatte. Denn sie habe als Linksabbiegerin nicht die strengen Vorschriften des § 9 Absatz 1 StVO beachtet.
Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, dass die Beklagte ihr Vorfahrtsrecht missachtet habe. Denn sie sei zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht vollständig auf die Bundesstraße aufgefahren. Sie habe somit gegen § 10 StVO verstoßen.
Der Einfahrvorgang wäre nämlich erst beendet gewesen, wenn sich die Beklagte vollständig in den Verkehr eingeordnet hätte und somit die besondere Einfahrsituation und die damit verbundenen erhöhten Risiken beendet gewesen wären. Von einer Beendigung des Vorgangs könne jedoch nicht ausgegangen werden.
Nicht zu klärendes Unfallgeschehen
Weil man sich nicht einigen konnte, landete der Fall vor Gericht. Das hielt die Versionen beider Unfallbeteiligten für schlüssig.
Zwar spreche bei einem Unfall eines Linksabbiegers mit einem ihm entgegenkommenden Fahrzeug die Lebenserfahrung dafür, dass er seinen Sorgfaltsanforderungen nicht gerecht geworden ist. Andererseits spreche bei einem Unfall mit einem auf eine Fahrbahn einfahrenden Verkehrsteilnehmer ebenfalls ein Anscheinbeweis zu dessen Lasten.
In dem zu entscheidenden Fall habe die Beklagte eingeräumt, mit ihrem Fahrzeug zwar schon in Bewegung gewesen zu sein, ohne jedoch zu beschleunigen. Es sei daher fraglich, ob sie den Einfahrvorgang zum Zeitpunkt der Kollision mit dem Fahrzeug der Klägerin bereits beendet hatte.
Mangels weiterer Beweismittel – Schadenteilung für gerechtfertigt
Ein schließlich vom Gericht befragter Sachverständiger hielt ebenfalls beide Unfallschilderungen für sich gesehen möglich und schlüssig. Der Unfall sei bei ausreichender Aufmerksamkeit auf jeden Fall von beiden Beteiligten vermeidbar gewesen.
Mangels weiterer Beweismittel gingen die Richter daher von einem ungeklärten Unfallgeschehen aus. Sie hielten daher eine Schadenteilung für gerechtfertigt.
Quelle : Versicherungsjournal 17.06.2022
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