Schadenteilung nach Unfall mit Rettungswagen
Der Fahrer eines im Einsatz befindlichen Rettungswagens darf eine Kreuzung bei Rot nur dann überqueren, wenn er sich überzeugt hat, dass er von den anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen wurde. Kommt es zur Kollision mit einem bei Grün querenden Fahrzeug, weil dessen Fahrer den Rettungswagen aus Unachtsamkeit übersehen oder überhört hat, ist eine hälftige Schadensteilung möglich. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Urteil vom 17. Mai 2023 (1 O 153/20).
Eine Autofahrerin hatte im Bereich einer Kreuzung, die durch eine Ampel gesichert war, bei Rot hinter einem vor ihr wartenden Fahrzeug angehalten. Nachdem die Ampel auf Grün umgeschaltet hatte, fuhr dessen Fahrer nicht los. Die Frau wechselte daher kurzentschlossen auf die linke Fahrspur und fuhr in den Kreuzungsbereich ein.
Dort kollidierte sie mit einem die Kreuzung querenden Notarztwagen. Der war zwar mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn unterwegs. Beides hatte die Autofahrerin nach ihren Angaben aber nicht wahrgenommen.
Fahrer des Rettungsfahrzeugs überwiegend verantwortlich?
Die Frau räumte zwar ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls ein. Sie hielt aber überwiegend den Fahrer des Rettungsfahrzeugs für den Unfall verantwortlich. In ihrer Klage verlangte sie daher, dass ihr 75 Prozent des ihr entstandenen Schadens zu ersetzen seien.
Diese Quote wollte ihr weder das in erster Instanz mit dem Fall befasste Landgericht Limburg an der Lahn, noch das von der Klägerin in Berufung angerufene Frankfurter Oberlandesgericht zugestehen. Die Richter beider Instanzen hielten eine Schadenteilung für angemessen.
Sorgfaltspflichten bei Wahrnehmung von Sonderrechten verletzt
Nach Überzeugung des Berufungsgerichts hat der Fahrer des Notarztwagens seine Sorgfaltspflichten bei der Wahrnehmung von Sonderrechten verletzt.
Derartige Fahrzeuge seien zwar bei einer Einsatzfahrt von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit. „Dennoch kommt den Erfordernissen der Verkehrssicherheit stets Vorrang gegenüber den Interessen des Einsatzfahrzeugs am raschen Vorwärtskommen zu“, so das Oberlandesgericht.
Je mehr der Fahrer von Verkehrsregeln abweiche, umso höhere Anforderungen seien an seine Sorgfalt zu stellen. Er dürfe eine Kreuzung daher nur dann bei Rot überqueren, wenn er sich überzeugt habe, dass die anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen und sich auf seine Absicht eingestellt hätten. Das gelte insbesondere beim Queren einer Straße mit mehreren Fahrspuren.
Gleichwertiger Verursachungs- und Verschuldensanteil
Werde in derartigen Bereichen eine Fahrspur nicht durch wartende Fahrzeuge blockiert, dürfe der Fahrer eines Rettungsfahrzeugs nicht darauf vertrauen, dass er die Kreuzung gefahrlos werde überqueren können.
„Denn es gibt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung keinen allgemeinen Vertrauensgrundsatz zugunsten des bevorrechtigten Fahrers, nach dem durch Einschalten des Blaulichts und des Martinshorns die übrigen Verkehrsteilnehmer in ausreichender Weise gewarnt werden“, heißt es in der Urteilsbegründung des Berufungsgerichts.
Folglich hätte ein umsichtiger Fahrer zumindest eine unklare Verkehrslage angenommen und seine Fahrweise darauf eingerichtet. Das Frankfurter Oberlandesgericht ging jedoch von einem gleichwertigen Verursachungs- und Verschuldensanteil aus. Die Vorinstanz sei daher zu Recht einer Schadenteilung ausgegangen. Nach Auskunft des Berufungsgerichts ist die Entscheidung nicht anfechtbar.
Quelle : Versicherungsjournal 06.12.2023
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